Künstler
Vittore CarpaccioTitel
Geburt Mariens (Albanesi-Zyklus)Datierung
um 1502/03Technik / Material
Öl auf LeinwandMaße
Höhe: 126,8 cm; Breite: 129,1 cmCreditline
Bergamo, Fondazione Accademia CarraraCopyright
Fondazione Accademia Carrara, BergamoDas Gemälde hat ein nahezu quadratisches Format und ist mit Ölfarben auf eine Leinwand gemalt. Seine Seiten messen knapp 130 Zentimeter. Es ist eine Leihgabe der Fondazione Accademia Carrara in Bergamo, Italien.
Dargestellt ist die Geburt Marias in einem Zimmer mit Balkendecke und großzügiger Bettnische.
Den Vordergrund bilden vier Frauen, ein Mann und das Baby. Am linken Bildrand steht, im Profil dargestellt, Joachim, der Vater des Kindes. Er hat einen langen grauen Bart und trägt eine rotbraune Tunika über einem gelben Gewand, dazu eine braune Mütze mit weißem Rand. Er stützt sich mit beiden Händen auf einen Stock. Etwas entfernt vor ihm steht ein flacher Zuber auf dem ähnlich einem Schachbrett gemusterten Fliesenboden. Rechts neben dem Zuber sitzt eine Amme. Die ältere Frau trägt einen hellbraunen Schleier, der ihr über Schultern und Brust fällt. Auf den Knien der Amme liegt die neugeborene Maria. Ein weißes Tuch bedeckt Bauch und Hüften des Säuglings. Marias Kopf ist von einem zarten, hellen Heiligenschein umgeben.
Rechts unten im Bild sitzt eine Frau auf einem Teppich, der über ein niedriges Mäuerchen gebreitet ist. Sie wickelt eine weiße Binde auf. Die junge Frau trägt ein goldfarbenes Untergewand mit einem ärmellosen blauen Kleid darüber. Das Kleid hat hinten im Nacken einen kleinen V-Ausschnitt. Die Haare der Frau sind unter einem turbanartig gewickelten hellen Tuch verborgen. Sie blickt mit großen Augen auf das Neugeborene.
Am rechten Bildrand befindet sich die hohe Bettnische. Die schweren roten Vorhänge sind geöffnet. Anna, die Mutter, liegt seitlich im Bett unter einem weißen Laken, das über eine rote Decke geschlagen ist. Den Kopf hat sie in die rechte Hand gestützt. Über mehreren Gewändern trägt sie einen blauen Mantel mit Goldborten am Saum. Er liegt über ihren Schultern. Dazu trägt Anna eine eng anliegende Haube. Sie sieht nachdenklich in Richtung der Frau auf dem Mäuerchen. Am Kopfende des Bettes steht eine Dienerin in rotem Gewand. Sie hält eine flache Schüssel und einen Löffel. An der Wand hinter ihr befindet sich ein hohes Sims mit Gefäßen und einem Kerzenleuchter. Darüber hängt eine hölzerne Tafel mit hebräischen Schriftzeichen. Ein kleiner dunkelgrüner Vorhang darüber ist nach rechts zur Seite genommen.
Im Mittelgrund der linken Bildhälfte verleihen Ausblicke aus dem Zimmer der Darstellung räumliche Tiefe. Ganz links ist ein Fenster angeschnitten, durch das eine Hügellandschaft mit Laubbaum zu sehen ist. Durch eine geöffnete Tür daneben fällt der Blick in die Küche und weitere Zimmer dahinter. In der Küche hängt ein Topf über einem Feuer. Eine Frau trocknet ein weißes Tuch vor den Flammen. Zwei Hasen sitzen auf dem Boden vor dem Durchgang.
Vittore Carpaccio gilt als „master storyteller”, als einer der besten Geschichtenerzähler seiner Zeit. Und hier hat er seine Meisterschaft augenfällig unter Beweis gestellt. Das Gemälde zeigt die Geburt Mariens, der späteren Muttergottes, in einem wohlhabenden Haushalt: Eine Amme schickt sich an, das Kind in einem flachen Holzzuber zu baden. Eine Dienerin kümmert sich um Anna, die Wöchnerin. Vorn hat sich eine Frau auf einem Mäuerchen niedergelassen, um eine Binde aufzuwickeln. Und in den hinteren Räumen sind zwei weitere Dienerinnen bei der Hausarbeit zu sehen. Nur Joachim, der einzige Mann im Bild, ist untätig. Er hat sich auf seinen Stock gestützt und blickt versonnen auf die Szene.
Carpaccio schuf das Gemälde als Auftakt einer sechsteiligen Serie für die Scuola degli Albanesi, den Treffpunkt der albanesischen Gemeinschaft in Venedig. Er lässt die Szene in einem wohlhabenden venezianischen Haushalt spielen und schmückt sie mit zahlreichen, scheinbar nebensächlichen Details aus. Lassen Sie Ihren Blick einmal wandern: Sie sehen eine typische Holzbalkendecke, opulente Wanddekorationen, Vasen und Gefäße auf einem Gesims und nicht zuletzt eine Wandtafel mit hebräischen Schriftzeichen.
Unmittelbar bevor Carpaccio seine „Geburt Mariens“ schuf, war in Venedig eine Art Lehrbuch für die hebräische Sprache erschienen. Die korrekt wiedergegebene Inschrift entstammt diesem Werk. Carpaccio ging es allerdings nicht darum, eine vermeintliche Wirklichkeit in einem jüdischen, venezianischen Haushalt darzustellen. Mit der Schrifttafel gelang es ihm vielmehr, verschiedene Zeitebenen miteinander zu verschränken: Die Legende der Geburt Mariens, die in vorchristlichen Zeiten liegt, lässt er in einem zeitgenössischen Interieur spielen. Die Schrifttafel, die seine Mitmenschen kaum entziffern konnten, unterstreicht die historische Kluft – trotz aller Aktualisierungen und Alltagsbezüge.
Werfen Sie, bevor Sie weitergehen, noch einen Blick auf die sitzende Frauenfigur rechts im Vordergrund. Sie werden Ihr im nächsten Raum wiederbegegnen.
Vittore Carpaccio gilt als einer der besten Geschichtenerzähler seiner Zeit. An diesem Bild sieht man warum. Das Bild zeigt die Geburt von Maria.
Die Geburt findet in einem wohlhabenden Haushalt statt. Ein Kindermädchen will das Kind in einer flachen Holzbadewanne baden. Eine Dienerin kümmert sich um Anna, die gerade ihr Kind, die kleine Maria, geboren hat. Vorne im Bild sitzt eine Frau auf einer kleinen Mauer und wickelt eine Binde auf. In den hinteren Räumen sind zwei weitere Dienerinnen bei der Hausarbeit zu sehen. Nur Joachim, der einzige Mann im Bild, ist untätig. Er hat sich auf seinen Stock gestützt und blickt auf die Szene.
Carpaccio malte das Bild für die Scuola degli Albanesi, den Treffpunkt der albanischen Gemeinschaft in Venedig. Bei Carpaccio wird Maria in einem wohlhabenden Haushalt in Venedig geboren.
An der Wand hängt eine Wandtafel mit hebräischen Schriftzeichen. Kurz bevor Carpaccio seine „Geburt Mariens“ malte, war in Venedig ein Lehrbuch für hebräische Sprache erschienen. Die Schrift auf der Wandtafel stammt aus diesem Buch. Zur Zeit von Marias Geburt wurde Hebräisch gesprochen und geschrieben. Carpaccio wollte aber keinen jüdischen Haushalt in Venedig darstellen. Mit der Schrifttafel brachte er beides zusammen: Die Geschichte von Marias Geburt, aus der vorchristlichen Zeit, spielt in seiner Gegenwart in einem wohlhabenden Haushalt in Venedig.