Künstler
Vittore CarpaccioTitel
Bildnis einer Frau mit BuchDatierung
um 1500–1505Technik / Material
Öl und Tempera auf HolzMaße
Höhe: 40,6 cm; Breite: 30,2 cmCreditline
Denver Art Museum, Gift of the Samuel H. Kress FoundationCopyright
Photography courtesy Denver Art MuseumDer Künstler hat das kleine Hochformat mit Ölfarben und Tempera auf Holz gemalt. Es misst 40 x 30 Zentimeter und stammt aus der Sammlung des Denver Art Museums in den USA.
Das Gemälde zeigt eine Frau mittleren Alters vor einem rostroten Vorhang. Ihre rechte Hand umfasst ein aufgestelltes geschlossenes Buch.
Das Portrait der Frau nimmt nahezu die gesamte Bildfläche ein. Mit aufmerksamem Blick wendet sie sich im Dreiviertelprofil nach links. Ihr Gesicht ist oval, mit schmalen Brauen über den braunen, etwas hervortretenden Augen. Sie hat eine große Nase mit weiten Nasenflügeln, einen kleinen Mund mit schmalen Lippen und ein leichtes Doppelkinn. Ihre Wangen sind rosig. Das dunkelblonde, in der Mitte gescheitelte Haar ist zum Teil mit einem Haarnetz bedeckt. Einzelne kinnlange gewellte Strähnen fallen an den Schläfen herab. Das ockerfarbene Haarnetz ist mit blütenartig angeordneten weißen Perlen geschmückt.
Die Dargestellte trägt ein dunkles Brokatkleid mit Trapezausschnitt, der von einer Goldborte und Perlen gesäumt ist. Um ihren Hals liegt eine schlichte goldene Kette.
Golden ist auch die Schließe am Buch, rechts unten im Bild. Eine solche Metallkonstruktion an den langen Seiten des vorderen und hinteren Buchdeckels diente unter anderem dazu, ein Buch zu verschließen. Vergoldet ist auch der Schnitt des Buchs. Dabei handelt es sich um die drei Seiten, an denen ein Buch geöffnet werden kann. Zudem ziert ein silberfarbenes geschwungenes Muster den dunklen Einband. Es umläuft den Buchdeckel wie ein Rahmen.
Ungefähr zur selben Zeit, in der Bellini Caterina Cornaro, die Königin von Zypern, porträtierte, malte Carpaccio diese wohlhabende Patrizierin.
Vergleichen Sie einmal die beiden Frauenporträts: Wie Caterina Cornaro ist auch Carpaccios Modell im Dreiviertelprofil dargestellt, vom Betrachtenden leicht abgewandt. Ihr kostbares Brokatkleid wird von goldfarbenen Borten und einer Perlenreihe geschmückt. Auf dem Kopf trägt sie eine perlenbesetzte Haube, unter der einzelne Strähnen des gescheitelten Haares hervortreten. Unter einer hohen Stirn blicken die braunen Augen in die Ferne. Ihr Nasenrücken ist markant, ihr Mund klein, die Lippen wirken über dem leichten Doppelkinn schmal. Carpaccios Porträt zeigt eine selbstbewusste Frau mit individuellem Ausdruck.
Das Buch, das die Frau in der Hand hält, unterstreicht das noch: Auch ohne den Inhalt des Buches zu kennen, deuten wir es als Hinweis auf Bildung. Der Goldschnitt und die kostbare Schließe des Buches finden ihre Fortsetzung in den Goldborten des kostbaren Kleides, das filigrane Muster des silbern schimmernden Einbandes korrespondiert mit der Feinheit der leicht gewellten Haarsträhnen und den geschwungenen Ziernähten ihres Ausschnitts.
Kleinformatige Porträts waren beim venezianischen Patriziat und Bürgertum sehr beliebt. Carpaccio nahm diesen Trend auf, variierte seine Bildnisse jedoch auf sehr individuelle Art: Er ließ die Hände der Porträtierten im Bild erscheinen, stattete sie mit Attributen – wie dem Buch – aus und arbeitete auf diese Weise den individuellen Charakter der Dargestellten heraus.
Das Bild von Caterina und dieses Bild hier wurden zur selben Zeit gemalt. Vergleichen Sie einmal die Bilder der beiden Frauen: Beide sind von der Seite gemalt. Carpaccios Bild zeigt eine wohlhabende, adlige Frau.
Sie trägt ein kostbares, verziertes Kleid und eine Haube. Ihre Stirn ist hoch, ihre Lippen schmal, sie hat ein leichtes Doppelkinn und schaut mit ihren braunen Augen in die Ferne. Carpaccio malt eine selbstbewusste, einzigartige Frau. Sie hält ein Buch in der Hand, ein Zeichen für Bildung. Das Buch passt sehr gut zu ihrem kostbaren, verzierten Kleid.
Die Adligen und wohlhabenden Bürger von Venedig mochten diese kleinen Portraitbilder sehr gerne. Carpaccio probierte etwas Neues aus: In seinen Bildern legte er den Menschen eine Sache in die Hand die etwas über ihren Charakter aussagte – wie beispielsweise in diesem Bild das Buch.