Künstler
Vittore CarpaccioTitel
Die Flucht nach ÄgyptenDatierung
um 1516–1518Technik / Material
Öl auf HolzMaße
Höhe: 72 cm; Breite: 111 cmCreditline
Washington, National Gallery of Art, Andrew W. Mellon CollectionCopyright
Mit freundlicher Genehmigung der National Gallery of Art, WashingtonCC-Lizenz
Public Domain Mark 1.0 - Weltweit frei von bekannten urheberrechtlichen Einschränkungen
Dieses Querformat ist mit Ölfarben auf Holz gemalt. Es ist etwas mehr als 70 Zentimeter hoch und über einen Meter breit. Das Gemälde ist eine Leihgabe der National Gallery of Art in Washington.
Im Vordergrund ist Maria mit dem Jesuskind, auf einem Esel reitend, dargestellt. Der vorangehende Josef führt das Tier an einem Strick nach rechts. Die Familie zieht durch eine hügelige Landschaft mit Flussläufen. Im Hintergrund links rudern ein paar Männer einen Kahn auf einem kleinen Fluss an einem Gehöft vorbei. Die üppigen grünen Wiesen entlang der Wasserläufe blühen. Über den Gipfeln am Horizont sind Himmel und Wolken in das orangefarbene Licht der Morgendämmerung getaucht, das auf einer bewaldeten Hügelkuppe rechts wie ein Feuerschein wirkt.
Entlang des unteren Bildrandes verläuft ein durch kleine runde Steine begrenzter Weg. Darauf trottet der Esel, mit halbgesenktem Kopf und angelegten Ohren, auf seinem Rücken Mutter und Kind. Josef geht neben dem Weg in knöchelhohem Grün. Über Maria, dem Jesuskind und Josef schwebt je ein Heiligenschein. Die Figurengruppe nimmt fast die gesamte Breite des Querformats ein.
Maria, links im Bild, sitzt seitlich auf dem braungrauen Tier. Sie trägt ein rotes, goldgesäumtes Kleid, darüber einen weiten Mantel aus gold-blauem Brokatstoff, bestickt mit Pflanzenmotiven und Füllhörnern. Der Mantel bedeckt ihre Haare und verhüllt ihren Körper, so dass die Konturen von Armen und Beinen kaum sichtbar sind. Maria sieht nachdenklich versonnen auf ihren Sohn.
Der steht seiner Mutter zugewandt auf ihrem Oberschenkel. Sie stützt den etwa 2jährigen Jesus mit übereinander gelegten Händen im Rücken. Das Kind ist in ein Gewand aus weißem Leinen gekleidet. Es berührt mit seiner linken Hand das Kinn der Mutter, der Zeigefinger der Rechten betastet die eigene Unterlippe. Der Blick des Knaben ist auf die Betrachtenden gerichtet.
Der voranschreitende Josef, rechts im Bild, hält den Führstrick in der Rechten, in der Linken einen brusthohen Wanderstock. Er trägt ein knielanges blaues langärmeliges Gewand mit Goldsäumen, darüber einen am Hals verknoteten roten Mantel. Seine Füße stecken in knöchelhohen schwarzen Schuhen. Josef hat lichtes graues Haar und einen dichten grauen Vollbart. Er blickt im Gehen zurück zum Esel.
„‘Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich’s dir sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.‘ Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten.“
So berichtet es das Matthäus-Evangelium... In Carpaccios Gemälde dämmert bereits der Tag. Josef, Maria, das Jesuskind und der Esel müssen seit Stunden unterwegs sein. Die hügelige Landschaft, die sie durchqueren, ist von Flussläufen durchzogen, auf denen Kähne schwimmen. Sie ähnelt der Landschaft rund um Venedig.
Carpaccio setzt auf den Wiedererkennungs-Effekt: All die Kaufleute, die Venedig auf dem Land- und Wasserweg erreichten und verließen, dürften die Lagunenlandschaft wiedererkannt haben. Er zitiert nicht nur den Alltag der Betrachtenden und steigert dadurch die Attraktivität des Werks. Er holt auch die biblische Erzählung in seine Gegenwart: Wenn die Rettung des Christusknaben förmlich vor der eigenen Haustür stattgefunden haben könnte, so ist sie auch für seine Zeitgenossen relevant.
Auch der kostbare, golddurchwirkte Brokatstoff, aus dem Marias Mantel gefertigt ist, kann als Hinweis auf Carpaccios Heimatstadt gelten: Schließlich waren zahlreiche venezianische Familien durch den Textilhandel – namentlich den Handel mit edlen Stoffen – reich geworden.
Über den Auftraggeber oder den ursprünglichen Aufstellungsort des Gemäldes ist nichts bekannt. Vermutlich wurde es in einem Privathaushalt zur häuslichen Andacht genutzt – vielleicht von einer reichen Kaufmannsfamilie?
„‘Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich’s dir sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.‘ Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten.“
So steht es im Matthäus-Evangelium... In Carpaccios Bild wird es bereits Morgen. Josef, Maria, das Jesuskind und der Esel müssen seit Stunden unterwegs sein. In der hügeligen Landschaft, durch die sie laufen, gibt es viele Flüsse, auf denen Boote schwimmen. Die Landschaft sieht aus wie die Gegend um Venedig.
Carpaccio setzt hier auf den Wiedererkennungs-Effekt: Kaufleute, die Venedig besuchten, hätten die Landschaft sofort wiedererkannt. Carpaccio zeigt den Menschen etwas aus ihrem Alltag. Er holt die Geschichte aus der Bibel in ihre Gegenwart. Das soll die Geschichte für die Menschen in Carpaccios Zeit lebendig machen. Auch der kostbare Stoff von Marias Mantel könnte ein Hinweis auf Venedig sein, viele Familien aus Venedig waren durch den Handel mit edlen Stoffen reich geworden.
Wir wissen heute leider nichts mehr über den Auftraggeber. Wir vermuten, dass das Bild in einem Privathaushalt hing und dort zum Gebet zuhause genutzt wurde – vielleicht von einer reichen Kaufmannsfamilie?