Vittore Carpaccio
Der hl. Thomas von Aquin mit den Hll. Markus und Ludwig von Toulouse

Auf diesem Bild sehen Sie drei Heilige. Links steht der heilige Markus, der Schutzheilige von Venedig. In der Mitte sitzt der heilige Thomas von Aquin, rechts unten kniet ein Kind mit langen Haaren. Rechts steht der heilige Ludwig von Toulouse, er trägt die Kleidung eines Bischofs.

Die drei Heiligen haben nicht viel gemeinsam. Sie haben zu unterschiedlichen Zeiten gelebt und können sich deswegen nicht begegnet sein. Aber die Drei tragen die Vornamen von Männern aus der Familie, die das Bild in Auftrag gegeben und dafür bezahlt hat – Tommaso (Thomas) und Marco (Markus) aus der Familie Dragan. Die Familie Dragan war sehr reich und wichtig. Sie hatte eine neue Art erfunden Glas herzustellen und konnte damit besonders kostbares Kristallglas anfertigen. Kristallglas war damals ein Luxusprodukt, das sich nur reiche Menschen leisten konnten. Ludwig, auf der rechten Seite, hält einen Zettel mit einer passenden Bibelstelle in der Hand: „Und er zeigte mir einen Strom, das Wasser des Lebens, klar wie Kristall; er geht vom Thron Gottes und des Lammes aus.“

Doch das Bild erzählt noch eine andere Geschichte: Als Carpaccio der Familie Dragan das Bild das erste Mal zeigte, kam es wahrscheinlich zu einem Zwischenfall. Carpaccio hatte ein Fenster mit runden Glasscheiben gemalt. Diese Glasscheiben nennt man Butzenscheiben. Butzenscheiben waren damals weit verbreitet und einfach herzustellen.

Carpaccio muss sich aber wohl geirrt haben: Die Familie Dragan stellte keine Butzenscheiben her, sondern vergoldete Kristallgefäße. Heute wird vermutet, dass die Familie Dragan das Bild ablehnte und Carpaccio aufforderte, die Butzenscheiben zu übermalen. Sie können hier sehen, wie er das gemacht hat: Die Engel, die das rote Band halten, und die kleinen roten Engelsköpfe weiter hinten wurden später dazu gemalt. Wir wissen heute von diesem Missverständnis, weil die Butzenscheiben durch eine Untersuchung mit Infrarotstrahlen wiederentdeckt wurden.